Monatslied

Texte: Caroline Marti

So klingt das Monatslied
«Wer singt, betet doppelt» sagte bereits der alte Kirchenvater Augustinus – und Luther pflichtete ihm bei.

Monatslied März 2025
Wie lange willst du mein' vergessen RG 10
Der Text dieses Psalmliedes stammt aus der Feder Helmut Lamparters, einem evangelischen Theologen, Schriftsteller und Dichter. In seinem vom zweiten Weltkrieg geprägten Leben fand er Trost und Zuversicht im Glauben an Gott. Als Schriftsteller verfasste er einige Kommentare zu biblischen Büchern wie Ruth, Hiob, Prediger, Hohelied und weiteren. Den Psalter gab er unter dem Titel «Wecken will ich das Morgenrot» in Gedichtform heraus. Dieser Sammlung ist der Text unseres Monatsliedes entnommen.
Lamparter bleibt mit seiner Dichtung nahe am Text des 13. Psalms, einem Klagepsalm. Allerdings ist die Klage des Beters nur in den Versen 1 und 2 zu erkennen. «Wie lange willst du mein’ vergessen, warum erhörst und hilfst du nicht? … Wie lange muss ich Schmerzen tragen in meiner Seele Tag für Tag?» Da hadert der Beter mit Gott. Aber er verharrt nicht in der Klage. In den Versen 3 und 4 wendet er sein Klagen in Bitten: «Gott, sende deines Lichtes Strahl. Erhör mich, denk an dein Versprechen.» Im letzten Vers spricht er gar vertrauensvoll zu Gott: «Ich weiss, du wirst nicht lang mehr schweigen, die Hilfe ist schon vor der Tür.»
Die Melodie ist aus dem Genfer Psalter und hat die typischen Merkmale der sehr linearen Melodieführung, der Beschränkung auf nur zwei Notenwerte und der Pausen am Ende jeder Choralzeile. Zu finden ist sie bei drei weiteren Liedern im Gesangbuch. Das wohl bekannteste darunter ist «O dass doch bald dein Feuer brennte».

Monatslied Februar 2025
Schenk uns Zeit RUP 191
«Schenk uns Zeit aus deiner Ewigkeit.»
«Schenk uns Zeit, Zeit zum Nehmen und Geben,
zum Miteinanderleben.»
«Schenk uns Zeit, Zeit zum Trinken und Essen und
um keinen zu vergessen.»

So bittet der Liederdichter Rolf Krenzer (1936–2007) im Kehrvers und in den zwei ersten Strophen.
Kohelet teilt mit uns in seinem Zeitgedicht (Kapitel 3) ganz eigene Gedanken zum Thema Zeit. «Für alles gibt es eine Stunde, und Zeit gibt es für jedes Vorhaben unter dem Himmel.» Folgen lässt er eine lange Aufzählung von Gegensätzen, darunter: «Zeit zum Gebären, Zeit zum Sterben; Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen; Zeit zum Lieben, Zeit zum Hassen; eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden.» Über all dem steht die Frage: «Wie finde ich das Glück in meinem Leben?»
Krenzer fasst im dritten Vers seines Liedes alles zusammen: «Zeit zum Beten, Zeit zum Klagen, Zeit, dir, Gott, auch Dank zu sagen.» Viele Bitten sind in diese Liedstrophen gepackt. Es wirkt wie ein Wunschzettel für das Geschenk Zeit. Doch mit diesem Geschenk sorgsam umzugehen, ist eine grosse Herausforderung. Was tun wir damit? Wie setzen wir Prioritäten? Gestalten wir die uns geschenkte Zeit bewusst? Setzen wir sie sinnvoll ein? – Sind die Bitten im Lied gar so zu verstehen, dass Gott uns dabei helfen soll, die Zeit richtig einzusetzen?
Das Lied, und was es für Gedanken anstösst, passt zum Thema des Kirchensonntags am 2. Februar: «Sinn finden in meinem Tun.» «Man kann dem Leben nicht mehr Tage geben – aber den Tagen mehr Leben.»

Monatslied Januar 2025
Wie schön leuchtet der Morgenstern RG 653
Eine der bekanntesten Kirchenlied-Melodien begleitet uns durch den ersten Monat des Jahres.
Nicolai verfasste ein Liebeslied an Jesus und bediente sich dafür zahlreicher Bilder. So beschreibt er Jesus als Morgenstern, süsse Wurzel Jesse, Davids Sohn, König und Bräutigam, als Perle, werte Kron, Blümlein und Jaspis. In späteren Überarbeitungen kam das Kleinod hinzu, wie es jetzt auch in unserem Gesangbuch steht. Diese tiefverwurzelte Liebe und der starke Glaube sind bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass Nicolai die Verse in der Zeit geschrieben hat, in der täglich Menschen von der Pest dahingerafft wurden. Der Morgenstern steht als Zeichen der Hoffnung. Er leuchtet im tiefsten Winter, in dunkelster Nacht, und kündigt den neuen Morgen an.
Auch die Melodie stammt aus Nicolais Feder. Sie ist schlicht und eingängig. Komponisten wie Dietrich Buxtehude, Johann Sebastian Bach und Max Reger waren davon so angetan, dass sie darüber kleine und grosse Werke schrieben.
Zum Hören empfohlen: J.S. Bach: Kantate BWV 1, D. Buxtehude: Choralfantasie BuxWV 223; M. Reger: Choralfantasie op. 40,1 und Orgelchoral op. 67

Monatslied Dezember 2024
Gottes Lob wandert RG 2
Der Lobgesang der Maria bildet seit Jahrhunderten den Höhepunkt des kirchlichen Abendgebets, der Vesper. Als schlichte Psalmodie rezitiert oder als Chorwerk gesungen nimmt es die Verse aus dem Lukasevangelium auf, in welchen Maria ihre Freude ausdrückt, von Gott erwählt zu
sein (Lk 1,46–55).
Seit der Reformation entstanden verschiedene Magnificat-Lieder, die von der ganzen Gemeinde gesungen werden können.
Angeregt durch ein norwegisches Marienlied hat der deutsche Theologe und Kirchenlieddichter Jürgen Henkys ein Lied zum Magnificat geschaffen. Die Strophen sind zweigeteilt.
In der ersten Hälfte wird geschildert wie Maria einst sang und wie heute Scharen von Menschen singen, was damals Maria gesungen hat. Schliesslich kommt das Staunen über das Wunder der Menschwerdung Gottes zum Ausdruck und es wird die Bitte ausgesprochen, dass dieser Lobgesang zu einer Brücke der Freude werde.
In der zweiten Strophenhälfte werden wichtige Sätze aus dem Magnificat zitiert.
Manfred Schlenker schuf eine Melodie, die sich nahe am Text bewegt. Bemerkenswert ist in der zweiten Strophenhälfte der Sprung in die Höhe und der anschliessende Abstieg in die untere Oktave auf den Worten: «Der Hohe schaut die Niedrige an … Die Stolzen stürzt er endlich vom Thron.»
Eng mit dem Magnificat verbunden ist der 9. Psalmton (ein Melodiemodell zum Rezitieren von Psalmen). Schlenker verwendet denn auch den Anfang dieses Psalmtons für die Zitate aus dem Magnificat. Somit schafft er eine schöne Verbindung zur Tradition der kirchlichen Abendgebete, wie sie bis heute in Klöstern und Gemeinschaften gesungen und gebetet werden.

Monatslied November 2024
Herr der Stunden, Herr der Tage RG 553
Das Lied mit dem Text des Schweizer Schriftstellers Hermann Hiltbrunner (aus dem Jahr 1945) steht im Reformierten Gesangbuch beim Jahreswechsel. Genauso gut passt es in den Monat November, wo die Tage immer kürzer, die Nächte länger werden, wo die Katholiken an Allerseelen und die Reformierten am Ewigkeitssonntag der Verstorbenen gedenken.
Herr der Stunden, der Tage, der Jahre, der Zeiten – der von Strophe zu Strophe wachsende Zeitraum weist auf Gottes Ewigkeit hin. Europa war 1945 kriegsgerüttelt, Zerstörung in Städten, Dörfern, in Menschenseelen. Der Dichter bittet: «Aus dem Meer von Leid und Klage führe uns auf festes Land. – Weis uns aller Ziele Ziel. – Wollest unsre Schritte leiten.»
Zwei Jahre nach Entstehung des Textes schuf der Schweizer Komponist Albert Moeschinger eine Melodie, die das Wachsen der Zeitabschnitte mitträgt. Sie steigt bis zur Mitte der Strophe hin auf und kehrt wieder zum Ausgangston zurück. Der Rhythmus ist in Vierteln gehalten, bleibt in der Mitte und am Schluss je einmal auf einer Halben stehen. In dieser Schlichtheit entwickelt sich eine grosse Spannung und Entspannung, das Ziel aller Ziele, das Vertrauen auf den «Herrn der Menschen, den Herrn der Welt».

Monatslied Oktober 2024
Herr, in deine Hände RUP 190
Gregor Linssen, geboren 1966, ist freier Musiker in der Kirche und arbeitet als Komponist, Texter sowie Ton- und Bildingenieur.
Er ist freiberuflicher Referent für das Neue Geistliche Lied (NGL), bei Chorwochenenden und kirchenmusikalischen Werkwochen in ganz Deutschland und war musikalischer Leiter für diverse diözesane Grossprojekte und internationale Wallfahrten.
Mit dem Lied «Herr, in deine Hände» schuf er ein Lied, das wie ein Gebet formuliert ist. In den kurzen Versen zählt er auf, was wir alles in Gottes Hände legen und so vertrauensvoll ablegen können.
Im Gottesdienst kann das Lied anstelle eines Gebets gesungen werden. Es bietet sich aber ebenso an, es im Wechsel mit dem gesprochenen Gebet zu singen.

Monatslied September 2024
Dem Herrn gehört unsre Erde RG 19
Nach Psalm 24 verfasste der reformierte Schweizer Pfarrer Hans Bernoully 1988 den Liedtext «Dem Herrn gehört unsre Erde». Wer nur den ersten Vers anschaut, könnte denken, dass es sich um ein Schöpfungslied handelt. Liest man weiter, werden Fragen aufgeworfen wie: «Wer hat das Recht den Herrn zu schauen, auf seinen Berg zu steigen?» Sofort folgt die Antwort: «Die reinen Herzens ihm trauen, von Lug und Trug sich fern halten, werden den Segen Gottes sehn.» Was ist denn das für ein Gott, der seinen Segen nur einer Schar von Auserwählten zukommen lassen will und andere ausschliesst? Und, kann denn überhaupt jemand diesen Anforderungen gerecht werden?
Strophe drei schliesslich, worin die Schlussverse des Psalms aufgenommen werden, erinnert an das Adventslied «Macht hoch die Tür» oder an Telemanns Adventskantate «Machet die Tore weit».
Mit dieser Vielfalt von Themen ist das Lied an keine bestimmte Zeit gebunden. Vielmehr kann es seinen Platz in der Liturgie um die Schriftlesung finden, oder bei Auslegung von Psalm 24 im Verlauf der Predigt gesungen werden.
Zur Genfer Melodie aus dem 16. Jahrhundert gibt es vom niederländischen Komponisten Anthoni van Noordt eine wunderbare dreisätzige Orgelbearbeitung, die im Gottesdienst vom 1. September in der Kirche Münsingen zu hören sein wird.

Monatslied August 2024
Ich sing dir mein Lied RUP 036
«Cantai ao Senhor um cântico novo» lautet der Originaltext des aus Brasilien stammenden Liedes im Samba-Rhythmus. Es nimmt Bezug auf die Psalmen 96 und 98 in welchen es ums Singen zum Lob des Herrn geht.
In Europa angekommen erfuhr das Lied nebst unterschiedlichen deutschen Übersetzungen eine Anpassung an unsere rhythmischen Gepflogenheiten und wurde im ¾ Takt gesungen. Im Chorheft 2007 des Schweizerischen Kirchengesangsbundes stehen die beiden Rhythmen, ¾ Takt und Samba, nebeneinander. Für das rise up PLUS entschied man sich für die Samba-Version, welche der Melodie viel mehr entspricht.
Fritz Baltruweit und Barbara Hustedt geben mit ihrer Übertragung ins Deutsche den Strophen einen immer gleich bleibenden Rahmen. «Ich sing dir mein Lied. In ihm klingt mein Leben. … Dir sing ich mein Lied.» Dazwischen wird mit musikalischen Ausdrücken aufgezählt, wie vielfältig das Geschenk Leben doch ist. Die Angesprochenen, Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, werden besungen mit Quelle, Hüter, Wunder und Zukunft des Lebens. Freudig und beschwingt soll es klingen und uns durch diesen Sommermonat begleiten. Es ist durchaus möglich, dass es auch nach dem Gottesdienst in uns weiter klingt.

Monatslied Juli 2024
Christus, das Licht der Welt RG 280
Ein Credo auf Christus, der in dunkelster Nacht zu uns auf die Erde kam, der uns Liebe vorlebte, schliesslich für uns starb und uns vergab. Die ersten drei Verse des Liedes sind ein Bekenntnis auf Christus, dem Licht, dem Heil und dem Herrn der Welt. Er ist Grund zur Freude, eine Aussage, die sich durch jeden Vers zieht.
Alle Strophen enden mit den Worten: «Ehre sei Gott, dem Herrn!» Dieses Lob geht im vierten Vers an Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist.
Jesus sagt von sich selbst: «Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.» (Joh. 8.12) Vielleicht dachte der methodistische Prediger Fred Pratt Green an diesen Vers, als er 1968 den Liedtext schrieb. Nur vier Jahre später übertrugen der Theologe und Journalist Otmar Schulz und die Dichterin und Dolmetscherin Sabine Leonhardt den Text ins Deutsche.
Durch die barocke Melodie aus dem Pariser Antiphonar – eine Sammlung von liturgischen Gesängen – kommt die Freude deutlich zum Ausdruck.
In der Liturgie hat das Lied seinen Platz als Glaubensbekenntnis nach der Predigt. Wird eine Taufe gefeiert, kann es zwischen der Taufbesinnung und der Taufhandlung gesungen werden.

Monatslied Juni 2024
So ist Versöhnung RUP 167
«Wie ein Fest nach langer Trauer, wie ein Feuer in der Nacht, wie ein Brief nach langem Schweigen» so reiht Jürgen Werth, Journalist, Buchautor und Liedermacher, zahlreiche Vergleiche aneinander um Versöhnung zu beschreiben. Die einen sind schöne Bilder, andere zeigen, dass der Weg zur Versöhnung oft hart und steinig ist: «Wie alte Feinde Hand in Hand.» Oft ist die Situation verfahren und verhärtet, und sich alte Feinde Hand in Hand vorzustellen, scheint weit entfernt und unmöglich. Solche Verhärtungen sind in Kriegsgebieten offensichtlich, kommen aber genauso im Kleinen, zwischen zwei Menschen, Freunden, Geschwistern vor. So auch in der Geschichte von Josef und seinen Brüdern, wo es um Neid, Eifersucht und schliesslich Versöhnung geht. Darüber schrieb Werth ein Musical. Die Musik dazu schuf der Kirchenmusiker und Komponist moderner christlicher Musik Johannes Nitsch. Aus diesem Musical stammt unser Monatslied.

Monatslied Mai 2024
Wir bitten, Herr, um deinen Geist RUP 074
Dieter Trautwein (1928–2002) schrieb als deutscher evangelischer Theologe Texte zahlreicher Neuer geistlicher Lieder (NGL). Von ihm stehen in unserem Gesangbuch unter anderen «Weil Gott in tiefster Nacht erschienen», «Du schöner Lebensbaum des Paradieses» und «Komm, Herr, segne uns».
Mit «Wir bitten, Herr, um deinen Geist» schuf er ein Pfingstlied in Form eines Gebets. Alle drei Verse beginnen und enden mit denselben Worten. Darin eingeschlossen ist je eine Bitte: dass wir das Alte neu verstehen und uns in Gottes Nähe sehen; dass wir nicht nur Fragen nennen, sondern auch die Antwort kennen; dass, auch wenn wir fürchten zu versagen, doch eine Antwort wagen. Diese Bitten aktualisieren die Gaben des Heiligen Geistes für unsere Zeit.
Hans Rudolf Siemoneit (1927–2009) war Kantor und vertonte viele Neue geistliche Lieder, so auch das aktuelle Monatslied. Dem Text gleich schuf auch er einen Rahmen, indem er Anfang und Ende jeder Strophe das gleiche melodische und rhythmische Motiv gab.

Monatslied April 2024
Erschienen ist der herrlich Tag RG 469
Der Verfasser von Text und Melodie dieses Osterliedes, Nikolaus Hermann (1500–1561), wirkte bereits mit 18 Jahren als Kantor und Lehrer im böhmischen Erzgebirge, in der damals wirtschaftlich und kulturell blühenden Stadt Joachimsthal. Schon früh schloss er sich der reformatorischen Bewegung an und pflegte eine enge Freundschaft zum ersten evangelisch-lutherischen Pfarrer in Joachimsthal. Beide waren treue Anhänger Luthers.
Mit «Erschienen ist der herrlich Tag» schuf Hermann ein Erzähllied mit vierzehn Strophen, wovon heute nur noch die Rahmenverse geblieben sind. Die alte Sprache mag heute eine Herausforderung sein, was aber kein Grund ist, das Lied nicht mehr zu singen.
In den heute fehlenden Strophen erzählt Hermann von den drei Frauen am Grab und von den beiden Jüngern, die auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus Jesus begegnet sind. Aber auch Geschichten aus dem Alten Testament nimmt er auf, wenn er von Simson schreibt, der mit blossen Händen einen Löwen tötete, von Jona, der drei Tage im Bauch des Fisches verharrte, so wie Jesus drei Tage im Grab lag. Weiter erzählt er von der Flucht vor dem Pharao als Parallele des Exodus zur Auferstehung Christi, sowie vom süssen Brot, das Moses seinem Volk zu essen gegeben hat, als Verweis auf das Abendmahl. Jede Strophe mündet ein in ein Halleluja.
In den heute verbliebenen fünf Versen wird der Freude über die Auferstehung Ausdruck verliehen. Nicht nur die Menschen, sondern alle Kreatur darf sich freuen und fröhlich in das Halleluja einstimmen.

Monatslied März 2024
Liebe, du ans Kreuz für uns erhöhte RG 450
Der evangelische Theologe und Kirchenlieddichter Carl Bernhard Garve, geboren 1763 bei Hannover, schrieb zahlreiche Lieder, darunter auch das Passionslied «Liebe, du ans Kreuz für uns erhöhte». Garve wurde bereits im Alter von fünf Jahren in die Knabenanstalt der Herrnhuter Brüdergemeine Zeist in Holland geschickt. Später wurde er zum Lehrer und Theologen ausgebildet.
Garve schreibt in seinem Passionslied nichts von Blut und Wunden. Ins Zentrum stellt er die Liebe Gottes zu den Menschen. Er bezeichnet Jesus als Versöhner, Dulder, Erbarmer und Freund der Armen, und bittet darum, dass wir ihm ähnlich werden mögen, ja sogar mehr noch, er wünscht: «O gestalt uns dir zum Ebenbilde.» Die Aussagen Garves sind biblisch geprägt, vor allem durch die Bergpredigt, und von einem tiefen pietistischen Glauben getragen.
Knapp zweihundert Jahre früher entstand die Melodie. Mit ausdrucksstarken harmonischen Wendungen verleiht ihr der Komponist Johann Crüger eine grosse Spannung.

Monatslied Februar 2024
Ore poriarju – Kyrie eleison RUP 064
Auf einer schwingenden Melodie, mehrmals sequenziert, wird dieser Kyrie Ruf der Guarani gesungen. Kyrie eleison – Ore poriarju vereko Nandejara. Christe eleison – Ore poriarju vereko Jesucristo.
Die Guarani sind eine indigene Bevölkerungsgruppe, die bereits vor Kolumbus als Ackerbauern in Südamerika lebte. Paraguay hat den grössten Anteil, gefolgt von Bolivien, Argentinien, Brasilien und Uruguay. Ihre Sprache ist in Paraguay als zweite offizielle Landessprache anerkannt und wird von über 80 Prozent der Bevölkerung gesprochen.
Die Guarani sind sehr spirituelle Menschen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden sie von jesuitischen Missionaren christianisiert. Seither treffen sie sich in Gebetshäusern zu ihren Gottesdiensten. Der christliche Prediger ist meist zugleich auch Schamane. Als Christen kennen sie auch das Kyrie eleison als liturgischen Ruf.
Kyrie eleison ist der einzige Satz der Messe, der in griechischer Sprache gesungen wird. Es bedeutet: «Herr, erbarme dich. Christus, erbarme dich.» In der Antike war dies ein Jubelruf an den Kaiser. Im christlichen Gottesdienst wurde das Kyrie eleison vermutlich ab dem 4. Jahrhundert verwendet. Mit der Zeit wandelte sich der Jubelruf immer mehr in einen Bitt- und Bussruf.

Monatslied Januar 2024
Vorbei sind die Tränen RUP 293
Am Ende der Bibel steht: «Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, weder Leid, noch Geschrei, noch Mühsal wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen.» Offenbarung 21.4 – Und dieselbe Vision hatte bereits der Prophet Jesaja, wie dort in Kapitel 25, Vers 8 zu lesen ist.
Der Liedtext spricht davon, dass Tränen, Elend, Hass, Streit und fressende Macht vorbei und drohende Fäuste nicht mehr geballt seien. Ob das hier auf der Erde einmal so sein wird, ist beim derzeitigen Weltgeschehen schwer zu glauben. Da gibt die Zusage im dritten Vers schon mehr Hoffnung: «Gott wohnt bei den Menschen … er tröstet, er lacht, Gott macht alles neu, gibt uns neue Kraft, ist bei uns im Hier und Jetzt.»
Schliesslich bringt der Refrain die Johannesapokalypse zum Ausdruck: «Himmel und Erde werden neu, nichts bleibt, wie es ist.» Diese Aussage bezieht sich auf Offenbarung 21.1: «Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde, denn der erste Himmel und die erste Erde verging, und das Meer ist nicht mehr.» Neu werden, Hoffnung auf das Neue, Bessere, darum können wir bitten, darauf dürfen wir hoffen.
Das Lied aus dem Jahr 2004 mit dem Latin-Rhythmus verleiht den biblischen Texten eine ganz andere Wirkung. «Vorbei sind die Trä nen, das Weinen und der Schmerz, vorbei sind das Elend, der Hass und der Streit. – Nichts bleibt, wie es ist. Himmel und Erde bekommen ein neues Gesicht.»

Monatslied Dezember 2023
Das Volk, das noch im Finstern wandelt RG 375
Das Adventslied aus dem 20. Jahrhundert «Das Volk, das noch im Finstern wandelt» stammt ursprünglich aus den Niederlanden. Der Dichter Jan Willem Schulte Nordholt hat als Historiker 1956 ein Buch mit dem Titel «Het volk dat in duisternis wandelt» herausgegeben, in dem er von der Geschichte der Afroamerikaner erzählt. Eine Unterdrückungsgeschichte aus der Zeit des atlantischen Sklavenhandels wird aktualisiert.
Vor gut vierzig Jahren übertrug der deutsche Theologe und Kirchenlieddichter Jürgen Henkys den Text ins Deutsche. Er liess vor allem in der dritten Strophe den Bezug zum 2. Weltkrieg sehr deutlich werden. Wo im niederländischen Text steht «Er kommt mit Friede. Nie mehr Klagen, nie Krieg, Verrat und bittre Zeit! Kein Kind, das nachts erschrocken schreit, weil auf dem Pflaster Stiefel dröhnen.», macht Henkys aus dem Klagen Sirenen. «Sein Friede kommt. Nie mehr Sirenen, nie Krieg, Verrat und bittre Zeit!»
Die Melodie im niederländischen und im deutschen Gesangbuch von Frits Mehrtens ist geprägt von aufspringenden Quarten, welche das aus dem Dunkeln kommende Licht anzeigen. Im reformierten Gesangbuch steht das Lied mit der Komposition der Schweizerin Maria Lohuus (1925–1996). Wie in den meisten Strophenliedern nimmt auch hier die Melodie den Inhalt der ersten Strophe auf. «Das Volk, das noch im Finstern wandelt, bald sieht es Licht, ein grosses Licht. Heb in den Himmel dein Gesicht und steh und lausche, weil Gott handelt.» Während sich die Melodie in der ersten Zeile um den Ton e rankt wie ein wandelndes Volk, weist sie in der zweiten Zeile mit ihrem Ansteigen auf das Licht hin. Der Höhepunkt folgt in der dritten Zeile, wo die Aufforderung, gegen den Himmel zu schauen, von der hohen Lage der Melodie unterstrichen wird. Im Innehalten und Lauschen auf Gottes Handeln schliesst sich der Bogen wieder und die Melodie kehrt zum Ausgangston zurück.

Monatslied November 2023
Nun sich das Herz von allem löste RG 777
Die Tiefe dieses Liedtextes zu verstehen setzt voraus etwas über den Dichter zu wissen. Jochen Klepper, Theologe, Journalist und Schriftsteller zur Zeit des 2. Weltkriegs, heiratete 1931 die jüdische Witwe Hanna Stein und bekam so zwei Stieftöchter. Die ältere Tochter konnte vor Kriegsbeginn nach England ausreisen, während die jüngere am 29. August 1940 die Aufforderung erhielt, sich beim Arbeitsamt zu melden. Dies bedeutete im nazionalsozialistischen Deutschland Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie und früher oder später die Deportation in ein Konzentrationslager. Zudem musste Klepper damit rechnen, dass auch seine Frau deportiert würde. Mit diesem Wissen schrieb Klepper noch am selben Tag das Gedicht «Nun sich das Herz von allem löste» und entschloss sich zum Freitod mit Frau und Stieftochter.
Loslassen ist schmerzhaft, gerade wenn es um geliebte und nahe Menschen geht. Da mögen der Heilige Geist als Tröster und der Heiland als Heilender helfen. Beide bittet der Dichter um ihr Kommen. In der 3. Strophe wendet der Dichter das Kommen in ein Bleiben mit den Worten «Bleib bei uns, Vater. Und zum Loben wird unser Klagen.»
Die Genfer-Melodie, welche fünfmal in unserem Gesangbuch steht, vermag mit ihrem wiegend-schwebenden Charakter den Text zu tragen.

Monatslied Oktober 2023
Dank sei dir, Gott RUP 212
Vor genau vierzig Jahren schrieb der amerikanische Komponist und Arrangeur Mark Hayes das Lied «We Give You Thanks». Gut zwanzig Jahre danach übertrug Andreas Hausammann – Beauftragter für Liturgie und Musik der Liturgie- und Gesangbuchkonferenz der evangelisch-reformierten Kirchen der deutschen Schweiz – den Text ins Deutsche und schrieb zur bereits bestehenden Melodie einen vierstimmigen Satz.
Gott wird im Lied direkt angesprochen. Ihm wird gedankt für alles, was er uns gibt. Dabei geht es nicht um Materielles, sondern vielmehr um die Gaben zu dienen und um die Liebe unsern Mitmenschen gegenüber. Im Gottesdienst kann das Lied als Gebet eingesetzt werden. Besonders gut eignet es sich als Dankgebet in der Abendmahlsliturgie, denn das Mahl stärkt in uns die Gaben des Dienens und der Liebe.
Die Melodie trägt das Gebet mit ihrem Bogen, der in der zweiten Hälfte spannungsmässig seinen Höhepunkt erreicht und dann sachte wieder auf den Grundton zurückkehrt.

Monatslied September 2023
In uns kreist das Leben RG 534
Kurt Marti beschreibt in seinem geistlichen Gedicht die Schöpfung, die dem Menschen Lebensbedingung ist: «Ohn’ sie kann’s kein Leben für uns geben.» Aufgezählt werden Felder und Wälder, Vögel und Fische, Gottes Kreaturen allgemein, sowie alle Elemente, die dem Menschen Lebensgrundlage sind. Es ist ein Lied vom «Leben, das uns Gott gegeben».
Das Kreisen, von dem in den Randstrophen die Rede ist, kann auf so vieles in unserem Leben bezogen werden: auf den Blutkreislauf, auf einen Lebenslauf, auf die Jahreszeiten mit Saat und Ernte, unweigerlich auch das Sterben, damit etwas Neues entstehen kann und das Kreisen weitergeht.
Die Melodie von Friedemann Gottschick nimmt das Kreisen auf. Bereits in den ersten zwei Takten, die identisch sind, kreist sie um den Ton g herum. Durch die ungerade Taktart wird das Kreisen verstärkt, es gibt ein Sich-Drehen wie in einem Walzer. Und – wie um dem Kreis seinen Fortgang zu gewähren – enden die ersten vier Strophen mit einer Wendung nach oben, erst in der letzten Strophe schließt sich mit dem Zurückkehren zum Grundton der Kreis.
Das Lied muss unbedingt ganz gesungen werden, nur so wird die grosse Spannung spürbar.

Monatslied August 2023
Der Herr, mein Hirte RG 18
Text und Melodie dieses Liedes stammen aus der Feder der schottischen Komponistin Jessie Seymour Irvine. Sie wurde 1836 als Tochter eines Pfarrers der Church of Scotland geboren. Als junge Frau machte sie in der Nordost-Schottischen Stadt Banff eine Ausbildung zur Organistin.
Charakteristisch für Hymnen des 19. Jahrhunderts aus dem anglikanischen Raum ist die aufsteigende Sexte zu Beginn der gefühlvoll gestalteten Melodie, welche in Schottland und England sehr beliebt ist und seit 1998 auch in unserem Gesangbuch steht.
Die Übersetzung von Charlotte Sauer nimmt den Psalm 23 auf mit seinen Bildern vom frischen Wasser, dem dunklen Todestal, von Stecken und Stab sowie vom Tisch und dem Kelch. Aus dem Psalm spricht ein grosses Vertrauen. Er zeigt Gott einerseits als den Hirten, den Beschützer und andererseits als den freundlichen Gastgeber. Bilder und Melodie sind so schön und idyllisch, dass man darüber oft die Realität vergisst. Da lauern Gefahren für die Herde, Trockenheit und Durst, Feinde wie Raubtiere, die der Hirt mit seinem Stecken und Stab abwehrt.
Die eher altertümlich anmutende Übertragung kann durch den Text bei der Nummer 15 «Der Herr ist mein getreuer Hirt» von Sigisbert Kraft ersetzt werden.

Monatslied Juli 2023
Hoffen wider alle Hoffnung RUP 264
Heinz Martin Lonquich (1937–2014) schrieb sowohl Text als auch Melodie dieses Liedes. In seiner vielseitigen Tätigkeit als Musiker, Komponist, Korrepetitor und Kapellmeister, Kirchenmusiker und Diakon entstanden zahlreiche weltliche und geistliche Werke. Auch in der Gattung Neues Geistliches Lied (NGL) betätigte er sich. Dazu gehört unser Monatslied «Hoffen wider alle Hoffnung».
Hoffen, wenn gar kein Grund zur Hoffnung mehr zu bestehen scheint, glauben, lieben, wach sein und helfen – dazu ruft Lonquich auf. «Aufstehn gegen Unrecht, Mord und Lüge, nicht einfach schweigen, wo die Welt bedroht.» Aktueller könnte der Text aus dem Jahr 1988 gar nicht sein. Und er wäre zu jeder Zeit in der Menschheitsgeschichte schon aktuell gewesen.
Aufstehen gegen Missstände, gegen Gewalt und Unrecht. Wie mancher Mensch hat deswegen bereits gelitten oder musste sogar sterben! Aufgrund dieser Tatsache ist es schwer zu hoffen wider alle Hoffnung.
Woran dachte Lonquich wohl, als er diesen Text verfasste? An grosse Kriege? An Umweltkatastrophen? Oder dachte er an Unrecht und Lüge im Kleinen? – Die Antwort darauf bleibt offen. Ich bin aber überzeugt, dass der Aufruf zum Aufstehen und nicht schweigen überall dort gilt, wo Gewalt und Ungerechtigkeit geschieht. Es erfordert Mut und braucht Vertrauen: «Trauen dem, der uns gesagt hat: Seht doch, ich bin bei euch alle Zeit.»

Monatslied Juni 2023
Gelobet sei der Herr RG 239
«Gelobet sei der Herr, mein Gott, mein Licht, mein Leben». In den ersten drei Strophen lobt der Dichter Gott den Vater und Schöpfer, den Sohn und Erlöser und den kraftspendenden Geist, kurz, den dreieinigen Gott. Verbindend ist dabei, dass alle Strophen gleich beginnen: «Gelobet sei mein Gott, mein Licht (für den Vater), mein Heil (für den Sohn), mein Trost (für den Heiligen Geist), mein Leben.» Untrennbar sind die Verse vier und fünf. Sie bilden eine Einheit und münden ein in den Lobruf der Engel: «Heilig». Diese beiden Strophen können sehr gut in der Abendmahlsfeier an der Stelle des «Sanctus» gesungen werden. Während die vierte Strophe mit den selben Worten beginnt wie die vorangehenden, schliesst die fünfte damit: «Gelobet sei mein Gott, in alle Ewigkeit.»
Die Melodie ist einem weltlichen Lied entlehnt und betont mit ihrer Beschwingtheit das uneingeschränkte Lob. Johann Sebastian Bach schrieb zu diesem Lied eine Choral-Kantate (BWV 129 ) zum Trinitatis-Fest.

Monatslied Mai 2023
Nimm du mich, Heiliger Atem RU 055
Ob Wind, den man nicht sehen kann, oder der Heilige Atem, der sein Feuer anzünden soll – bei diesen Bildern in Liedversen geht es um den Heiligen Geist. Ist nun das Lied «Nimm du mich, Heiliger Atem» deswegen ein Pfingstlied? – Nein, nicht nur. Sicher kann man das aus Finnland stammende Lied an Pfingsten singen. Da es aber ein «Heiliggeistlied» ist, kann es das ganze Jahr über an jenen Stellen in der Liturgie eingesetzt werden, wo die Gemeinde um das Dasein des Heiligen Geistes bittet. Im Johannesevangelium 4,24 heisst es: «Gott ist Geist.» Und so geht es, wenn wir um die Gegenwart des Geistes bitten immer um die wirksame Gegenwart Gottes. Das kann also in Taufe und Abendmahl sein, aber auch im ersten Teil des Gottesdienstes.
Dass dieses Lied dennoch für die Zeit von Pfingsten zum Monatslied gewählt wurde, lässt sich mit dem Bild des Feuers im ersten Vers begründen: «Nimm du mich, Heiliger Atem, zünde dein Feuer an.»
Zum Atem schrieb Johann Wolfgang Goethe: «Im Atemholen sind zweierlei Gnaden: die Luft einziehen, sich ihrer entladen; jenes bedrängt, dieses erfrischt; so wunderbar ist das Leben gemischt.»

Monatslied April 2023
Christ lag in Todesbanden RG 464
Für dieses Osterlied greift Martin Luther auf die Osterleise* «Christ ist erstanden» RG 462 und die Ostersequenz «Victimae paschali laudes» (entstanden vor 1050) zurück. Passions- und Ostergedenken werden darin vereint und Luther nennt es auch «Christ ist erstanden gebessert». Der prägende Grundgedanke ist, dass das Leben den Tod besiegt hat.
Jeder Vers mündet ein in den Ruf «Halleluja», lobet Jahwe. Gerade an Ostern versteht man den Ruf auch als freudigen Lobruf für den auferstandenen Christus.
*Leisen sind mittelalterliche deutschsprachige Gesänge, die auf den Worten «Kyrie eleison» enden.

Monatslied März 2023
Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt RG 456
«Now the green blade rises» (Nun wächst der grüne Halm), ein englisches Osterlied, dessen Text Macleod Campbell Crum zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschrieben hat. Jürgen Henkys schuf in den 70er Jahren eine Übertragung ins Deutsche und liess es zu einem Passionslied werden, einem Passionslied, das bereits die Hoffnung von Ostern in sich trägt. Die zentrale Aussage geht vom Johannesevangelium 12,24 aus: «Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.» Also das Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt.
Zu diesem zeitgenössischen Text fügt sich die Melodie des spätmittelalterlichen Weihnachtsliedes «Noël nouvelet! Noël chantons ici». Eine grosse Spannung bewirken die kleine Terz und die grosse Sexte über dem Grundton. Es ist ein Spiel mit Dunkel und Hell, Schatten und Licht: die Spannung von Passion und Ostern. Als Schlusszeile steht der immer gleiche Text «Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.» Das Wort «wächst» steht auf der grossen Sexte, was dem Wachsen eine besondere Kraft verleiht.

Monatslied Februar 2023
Von der Zärtlichkeit Gottes RUP 255
«Behutsam will ich dir begegnen.» Mit diesen Worten beginnt Eckart Bücken (*1943) seinen Liedtext. Als eine der Quellen wird Vers 5 aus Psalm 45 angegeben. Überschrieben ist dieser Psalm mit den Worten «Lied zur Hochzeit des Königs». Als weitere Quelle wird Galater 5,22 genannt: «Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue.»
Des Psalms 45 bedient sich auch Pierre Stutz (*1953) in seinem Psalmgebet «Zärtliche Zuwendung», das ich gerne dem Gedicht Bückens gegenüberstelle.

Zärtliche Zuwendung

Fasziniert
sich einander zuwenden
sich der Herausforderung stellen
konfliktfähiger zu werden

Im zärtlichen Zusammensein
Deine schöpferische Phantasie erfahren
gemeinsam einen Weg wagen
der zur Eigenständigkeit bestärkt

Hohe Zeit
leben und feiern
Deinen Namen rühmen

Du Freundin Geist
die du Menschen zusammenführst
um deine sinnliche Liebe zu vergegenwärtigen

aus: Pierre Stutz, Du hast mir Raum geschaffen, Psalmengebete,
Claudius Verlag


Monatslied Januar 2023
Gott aus Gott und Licht aus Licht RG 430
Aus dem alten Hymnus «Veni redemptor gentium» (Nun komm der Heiden Heiland) wird ein Weihnachts- und Epiphaniaslied unserer Zeit. Was dem Schweizer Textdichter Georg Schmid (*1940) zunächst als unmöglich erschien, gelang ihm schliesslich hervorragend. Er schuf zur Melodie des Ambrosius von Mailand (386) einen Text, in welchem das Geheimnis der Inkarnation besungen wird.
Den zündenden Gedanken erhielt er in einer Chorprobe, in welcher an der Passage aus dem Credo geübt wurde «Deus de Deo, lumen de lumine» (Gott aus Gott, Licht aus Licht). Der Autor selber bemerkt dazu: «Unsere besondere moderne Gabe der mystischen Rede ist das Paradox. … Also stürzte ich mich in meinen zahlreichen Variationen des einen Satzes «Deus de Deo, lumen de lumine» mit besonderer Inbrunst auf die paradoxen Variationen.» Daraus entstanden im Liedtext Gegensätze wie «Gott, der seine Himmel flieht», «König, der sich selbst besiegt», «Lobt die Macht, die sich verneigt». In den ersten sechs Versen wird Gott umschrieben mit Licht, Feuer, Ewigkeit, Himmel, Frucht, Wind, Wort, Wahrheit, Liebe. Sie sind Anrede an Gott, der Mensch geworden und zu uns auf die Erde gekommen ist. Die siebte Strophe schliesslich fordert zum Lob auf. Schmid sagt: «Die letzte Strophe ist eine einzige, verhaltene Verbeugung vor dem Gott, der sich nicht zu schade war, Mensch zu werden.»
Zitate aus G. Schmid / W. Wiesli, «Gott aus Gott und Licht aus Licht» in: Wege zum Lied, Arbeitshilfen zum Gesangbuch, Werkheft 2, Gossau, Basel, Zürich, 1999, S. 111–113, und RG 430.

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